Die seit 2020 laufenden umfangreichen archäologischen Untersuchungen im Zusammenhang der Hochwasserschutzmaßnahmen in Bad Urach (in Zusammenarbeit mit IKU Institut für Kulturvermittlung, DAB Wolf, Tübingen-Bühl und Sarah Weist, Pforzheim, haben durch baubegleitende Maßnahmen der Jahre 2021/22 (Einmündung Kirchstraße/Bismarckstraße, Gabriel-Biel-Platz plus Wasserleitungstrasse Richtung Schloss, Westende Chorstraße) wichtige Ergänzungen erfahren. Seither ist klar, dass die heute in der Uracher Altstadt erlebbaren spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Baustrukturen mindestens im weiteren Umfeld von Schloss und Kirche durchweg auf älteren hoch- bzw. spätmittelalterlichen Strukturen basieren, die ganz anderen topografischen Konzeptionen folgten: Der Kern Urachs wurde im Spätmittelalter massiv umgestaltet - und wir haben die ersten Ansätze, die ältere Stadtopografie dieser bedeutenden Stadt aufzuklären. Für nähere Informationen können hier heruntergeladen werden:
Neu hinzugekommen sind Sondagen am Schloss im Auftrag der Staatlichen Schlösser und Gärten seit Juni 2023. Dabei konnte auch die Ostecke des bislang nicht exakt lokalisierten "Alten Schlosses" ergraben werden - mit überraschenden Ergebnissen. Die Südwestpresse war vor Ort und hat am 18. Juli 2023 berichtet. Bedeutsame neue Erkenntnisse gibt es etwa zur Zeitstellung des "Alten Schlosses", das wohl erst ins spätere 14. Jahrhundert gehört. Damit kann es kaum als Vorläufer des "Neuen Schlosses" von 1400 d gelten, sondern muss konzeptionell gemeinsam mit diesem gesehen werden. Die Rollenverteilung erscheint klar: Das "Alte Schloss" ist nach den 1789 kurz vor dem Abbruch erstellten Plänen als privates Wohnschloss zu werten, während das "Neue Schloss" primär der öffentlichen Repräsentation und Verwaltung diente. Auch zur Phase vor dieser "Doppelschlossanlage" gibt es Befunde. Für eine detaillierte Wertung ist es zu früh. Es scheinen jedoch Haupt- und Nebengebäude der direkten Vorgängerphase des 13./14. Jahrhunderts erfasst worden zu sein. Gar keinen Hinweis gibt es bislang auf einen hochmittelalterlichen Ursprung der Uracher Talburg. Stattdessen erfassen wir eine "ländlich" wirkende Siedlungsstruktur mit Pfostengruben und Grubenhäusern, die bis ins 12./13. Jahrhundert Bestand hat - und vermutlich die Eingliederung in die erste Uracher Altstadt zeitlich noch überdauerte. Die Untersuchungen sind im Mai/Juni sowie November/Dezember 2024 fortgesetzt worden und werden im nächsten Jahr abgeschlossen.
Weiterhin kaum aussagekräftige frühe archäologische Befunde gibt es aus dem Bereich der "neuen Stadt" um den Marktplatz, trotz inzwischen dreier Baubegleitungen in diesem Areal. Dies liegt sicherlich auch an den Baumaßnahmen der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts, bei denen sämtliche ggf. oberflächennah vorhandenen archäologischen Schichten rund um den Marktplatz abgeräumt wurden. Dort, wo der anstehende Tuffsand erreicht werden konnte, lassen sich bisher aber keine älteren Siedlungsspuren nachweisen, die sich von der überlieferten spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Bebauung strukturell abgrenzen ließen. Baugeschichtlich interessante Ergebnisse gibt es vom Alten Oberamt (Marktplatz 1), wo im November 2023 ein Kellerraum in Folge von Hausschwammbefall untersucht werden musste. Der dendrochronologisch auf 1759 datierende NNO-Anbau an das ursprünglich traufständige Vorderhaus von 1402 d sitzt auf einem älteren Sockel, der Keller geht in seiner heutigen Form im Wesentlichen in die 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts zurück und gehört möglicherweise in den Zusammenhang der Drehung des Giebels des Vorderhauses im Jahre 1565 d.
Möglicherweise kann die kleine Untersuchung aber auch Hinweise auf die Frühzeit der bürgerlichen "neuen Stadt" geben: Der Keller des 16. Jahrhunderts integriert ältere Bauphasen, deren erste dem Bau des späten Oberamts 1402 d vorausgehen dürfte - und noch eine andere, auf die heute irreführend "Neue Straße" genannte Straße ausgerichtete Bebauungsstruktur des 13./14. Jahrhunderts zeigt. Auf diese Straße ausgerichtet ist auch der benachbarte Gütersteiner Pfleghof, dessen Kernbau auf 1401 d datiert. Es ist möglich, dass erst in der "offenkundigen Aufbruchsphase Urachs" (T. Marstaller) um 1400 der Marktplatz in seiner heutigen Form entsteht - anbei ein Auszug aus dem Grabungsbericht. Wir sind auf weitere Befunde in der "neuen Stadt" gespannt!
Im Frühling/Sommer 2024 gab es Untersuchungen am von der Altstadt nach Westen abfließenden Erms-Kanal. Vorläufig lässt sich der Ermskanal in die Frühe Neuzeit, wohl das 18. Jh., datieren. Nachdem vermutlich bauzeitliche Konstruktionshölzer geborgen werden konnten, ist ggf. aber noch mit einer jahrgenauen Datierung zu rechnen. Wo der natürliche Ermsverlauf zu rekonstruieren ist, ist noch nicht geklärt, am wahrscheinlichsten ist topografisch ein recht gerades Weiterfließen nach Westen nach Verlassen des südlichen Stadtrands.
Zwischen Juni und Oktober 2024 war ein umfassendes Baubegleitungsprojekt im Umfeld der stadttopografisch wichtigen Straßen "Chorstraße" und "Auf dem Graben" im Gange, die Untersuchungen sind noch nicht aufbereitet. Die Zahl der dokumentierten Befunde jedoch ist beträchtlich, einige davon sind von hochrangiger Bedeutung für die frühe Stadtentwicklung, auch wenn aktuell eher noch neue Fragen zu den ungelösten alten hinzukommen. Es ist aber schon klar, dass die neuen archäologische Untersuchungen zu erheblichen Fortschritten im Wissen um die frühe Stadtgenese führen werden. Es steht sehr zu hoffen, dass nach Abschluss der intensiven Bodeneingriffe im Altstadtbereich eine übergreifende Auswertung der umfangreichen archäologischen Dokumentationen ins Auge gefasst werden kann!
Im November 2024 wurden, ebenfalls in Zusammenhang mit den Baumaßnahmen zum Hochwasserschutz, Voruntersuchungen im Bereich der Schlossmühle unternommen. Hier trat ein wohl in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts in Zusammenhang mit der Aufstauung des Schwanensees und der Errichtung des Zwingers auf der Uracher Südseite angelegtes unterirdisches Tuffsteinbauwerk zu Tage, das im Januar 2025 weitergehend untersucht werden soll.
Nur einen Tag dauerte die Baubegleitung im Auftrag der Netze BW im April 2023: östlich des ehemaligen Franziskanerklosters, heute Verwaltungsgebäude und Polizeistation sollte ein kleines Umspannwerk errichtet werden. Wegen der unmittelbaren Nachbarschaft zur achtwöchigen Rettungsgrabung Februar-April 2021 erbrachte die Untersuchung gleichwohl Ergebnisse von erheblicher stadtgeschichtlicher Bedeutung. In der kleinen Fläche konnte ein vermutlich auf 1256 ± 10 datierbarer frühstädtischer Graben nachgewiesen werden, der nach der Ummauerung der Stadt um 1300 bis zur Stadterweiterung nach 1403 als städtischer Graben weitergenutzt wurde, obwohl geometrisch nicht exakt passend. Diese "Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen" führte in Waldsee dazu, dass es Gebiete wie die "Hochstatt" gab, die zwar außerhalb der Stadtmauern, aber eben noch innerhalb des Grabens lagen. Für die Stadtgeschichtsschreibung ist entscheidend, dass wir nun Nachweise von Graben und Stadtmauer sorgfältig zu trennen haben. Die Erstnennung der Waldseer Stadtbefestigung von 1283 ist die Nennung des Grabens - bei dem es sich um die frühstädtische Befestigung gehandelt haben muss. Die Versteinerung der Befestigung um 1300, die wegen des schwierigen Baugrunds mit einer Verkleinerung der befestigten Fläche einhergeht, korreliert zeitlich mit der Verleihung des Ravensburger Stadtrechts 1298. Weil sich in Zusammenhang dieser Stadtrechtsverleihung aber schon bestehende städtische Strukturen (Nennung von Schultheiß und Rat) nachweisbar sind, wird man die Befestiung der Frühstadt im mittleren 13. Jahrhundert entwicklungsmäßig auch eher "hoch hängen" können. Letztlich ist Waldsee in der 2. Hälfte des 13. Jh. schon funktionierende "Stadt", auch wenn mit königlich verliehenem Stadtrecht und steinerner Mauer noch typische Bestimmstücke fehlten. Ein Auszug aus dem Grabungsbericht kann hier heruntergeladen werden. Ein zusammenfassender Aufsatz in der geplanten Publikation "Mensch und Umwelt im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit in Bad Waldsee" (erscheint in einer Reihe der Gesellschaft Oberschwaben) ist in Druckvorbereitung.
Im Auftrag der Stadt Gammertingen haben Joachim Jehn und ich eine neue interdsiziplinäre Stadtgeschichte Gammertingens verfasst, die im Dezember 2024 erschienen ist. Grundlage sind die umfassenden neuen Erkenntisse aus der Auswertung der Schlossplatzgrabung von 2012/13, erweitert durch umfangreiche neue Archivstudien. Ergänzt wird die Arbeit durch neue Illustrationen von Roland Gäfgen, Renningen, sowie durch neue bauhistorische Untersuchungen durch Tilmann Marstaller, Rottenburg. Hierzu liegen inzwischen zwei wichtige Ergebnisse vor: Die Baudaten zu den Gebäuden Hohenzollernstraße 14 und 16 (1665 bzw. 1492) setzen Marker für die stadttopografische Entwicklung rund um den spätmittelalterlichen Marktplatz - und machen neuerliche Sichtungen der korrespondierenden Schriftüberlieferung erforderlich.
Das Buch umfasst folgende Kapitel: Eine neue Stadtgeschichte - Fernweg, Furt und Lauchertinsel (bis 8. Jh.) - Die Herausbildung der Grafschaft Gammertingen (9.-11. Jh.) - Die jüngeren Grafen von Gammertingen (11./12. Jh.) - Das Erbe der Grafen von Gammertingen (12./13. Jh.) - Die Stadtgründung im Spiegel der Archäologie (um 1300 - um 1330) - Die Stadt unter den Grafen von Veringen (um 1270 - um 1410) - Der große Stadtbrand (um 1410) - Die Residenzstadt der Rechberger (1. H. 15. Jh.) - Graf Ulrich v. Württemberg, die Herren von Bubenhofen und fast eine Stadtkirche (um 1450 bis um 1520) - Streit um Gammertingen (um 1520 - um 1550) - Die wilhelmischen Jahre und die Speth'sche Residenz Gammertingen (um 1550 - um 1600) - Schloss und Stadt in der Barockzeit (17./18. Jh.) - Marquard Carl Anton, Pierre Michel und das Zwillingsschloss (1765-1806) - Der Schlossbezirk in der Moderne (19./20. Jh.).
Es ist geplant, die wissenschaftliche Auswertung der Schlossplatzgrabung von 2012/13 im Nachgang zu "Vnser Schloß und statt Gammertingen" in reduzierter Form zu publizieren - als ergänzender archäologischer "Quellennachweis". Dies ist schon von daher notwendig, weil hier erstmals eine archäologische Untersuchung vorgelegt wurde, die von der Planung bis zur Publikation den Grundzügen der von mir entwickelten historischen Archäologiekonzeption folgt. Sie zeigt exemplarisch, welche Informationsdichte unter entsprechenden Voraussetzungen aus einer gewöhnlichen, kleineren Stadtkerngrabung zu extrahieren ist. Bis die Publikation realisiert ist, biete ich an, die umfangreiche Arbeit (deren weitreichende historische Deutungen in einigen Fällen durch die neueren Forschungen schon wieder überholt sind) Interessenten auf Anfrage zur privaten Nutzung zur Verfügung zu stellen.
Initiiert von den Journalisten Wolfgang Bauer (Die ZEIT) und Dr. Ulrich Stolte (Stuttgarter Zeitung) ist ein Projekt zur Erforschung, Vermittlung und denkmalgerechten Konservierung der Ruine Hohengekingen auf Markung Sonnenbühl-Undingen gestartet worden, das ich wissenschaftlich begleite. Es sind Kooperationen mit dem Landesamt für Denkmalpflege, der Universität Tübingen und der Gemeinde Sonnenbühl vereinbart worden. Im November/Dezember 2021 fanden auf der Burg erste Vermessungsarbeiten (Prof. Quasnitza, FH Biberach) statt, die vom Landesamt für Denkmalpflege vermittelt und finanziert wurden. Im Dezember 2022 erfolgte die Gründung des Fördervereins "Die Burg e. V." in Willmandingen, seit Anfang 2023 sind wir mit unserer Homepage online.
Mit einer archäologischen Bestandsaufnahme der obertägig erkennbaren (Bau-)Befunde im März 2023 in Zusammenarbeit mit der Abteilung Archäologie des Mittelalters am Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters an der Universität Tübingen fand im März 2023 der Einstieg in die Erforschung der Anlage statt. Dabei konnte die Südhälfte der Burg 3D-fotogrammetrisch aufgenommen werden. Es ergaben sich relevante Korrekturen zu bisherigen Aufnahmen sowie erste Ansätze zu einer Bauphasengliederung. Außerdem wurden durch das Landesamt für Denkmalpflege geomagnetische Prospektionen in zwei verebneten Burgbereichen (zentraler Wohnbereich im NW, Vorburgareal im NO) durchgeführt. Näheres auf der Homepage des Projektes sowie in der ZEIT, wo seit Dezember 2023 periodisch über das Projekt berichtet wird.
Erheblich in Mitleidenschaft gezogen wurde die Burg durch den Sturm am 24. August 2023. Zahlreiche Baumwürfe blockieren nicht nur die Wege, sondern richteten auch nicht unerheblichen Schaden am Bodendenkmal an. Ein erster jeweils eintägiger Sicherungseinsatz im Auftrag der Gemeinde Sonnenbühl fand am 4. Oktober und am 13. Dezember statt, dankenswerterweise unterstützt durch eine Mitarbeiterin des Landesamts für Denkmalpflege. Dabei wurden zum Teil Befunde von baugeschichtlicher Bedeutung freigelegt; als Zwischenergebnis lassen sich nun bereits vier verschiedene Bauphasen der Anlage zwischen "um 1200" und dem letztern Drittel des 14. Jahrhunderts unterscheiden. Das Landesamt führte Ende Januar 2024 eine Einmessung sämtlicher noch nicht untersuchter Baumwürfe durch, ergänzt durch eine Fotodokumentation und einige Lesefunde. Nach Aufräumarbeiten durch den Forst konnte im März 2024 eine erste universitäre Begehungsübung auf dem gesamten Burgberg durchgeführt werden, die 2025 fortgesetzt und abgeschlossen werden soll.
Eine sehr gute Nachricht ist die Bewilligung einer LEADER-Förderung, mit der 2025 sowohl die Sicherung/Sanierung der 2023 teileingestürzten westlichen Ringmauer als auch der Einstieg in die archäologische Erforschung der Burg im Rahmen einer Lehrgrabung des Instituts für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters der Universität Tübingen möglich wird.
www.historische-archaeologie.de wurde zuletzt aktualisiert am 13.12.2024