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Aktuelles

Bad Urach, Grabungen/Baubegleitungen seit 2020

Die seit 2020 laufenden umfangreichen archäologischen Untersuchungen im Zusammenhang der Hochwasserschutzmaßnahmen in Bad Urach (in Zusammenarbeit mit IKU Institut für Kulturvermittlung und DAB Wolf, Tübingen-Bühl, haben durch baubegleitende Maßnahmen der Jahre 2021/22 (Einmündung Kirchstraße/Bismarckstraße, Gabriel-Biel-Platz plus Wasserleitungstrasse Richtung Schloss, Westende Chorstraße) wichtige Ergänzungen erfahren. Zusammenfassend lässt sich jetzt schon sagen, dass die heute in der Uracher Altstadt erlebbaren spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Baustrukturen mindestens im weiteren Umfeld von Schloss und Kirche durchweg auf älteren hoch- bzw. spätmittelalterlichen Strukturen basieren, die ganz anderen topografischen Konzeptionen folgten: Der Kern Urachs wurde im Spätmittelalter massiv umgestaltet - und wir haben nun die ersten Ansätze, die ältere Stadtopografie dieser bedeutenden Stadt aufzuklären. Es steht sehr zu hoffen, dass nach Abschluss der intensiven Bodeneingriffe im Altstadtbereich eine Auswertung der umfangreichen archäologischen Dokumentationen ins Auge gefasst werden kann.
Seit Kurzem liegt die Aufarbeitung der Baubegleitung Gabriel-Biel-Platz plus Wasserleitungstrasse Richtung Schloss vom Juni/Juli 2023 vor mit wichtigen neuen Ansätzen zur Burg- und frühen Stadtgeschichte. Ein detaillierter Auszug aus dem Grabungsbericht kann hier heruntergeladen werden. Ganz neu hinzugekommen sind neue Sondagen am Schloss im Auftrag der Staatlichen Schlösser und Gärten vom Juni 2023. Dabei konnte auch die Ostecke des bislang nicht exakt lokalisierten "Alten Schlosses" ergraben werden - mit überraschenden Ergebnissen. Die Südwestpresse war vor Ort und hat inzwischen berichtet.

Bad Waldsee, Hauptstraße 10-12 Oberamteistraße

Im Auftrag der Stadt Bad Waldsee fand vom 22. Februar bis zum 22. April 2021 eine Rettungsgrabung im Vorfeld des Anbaus eines Verwaltungsgebäudes an das barocke, ehemalige Franziskanerkloster statt. Vorausgegangen waren mehrtägige baubegleitende Untersuchungen in den Jahren 2019-21 im Zusammenhang der vorbereitenden Arbeiten. Gerade vor dem Hintergrund des aktuellen DFG-Projekts Auswirkungen mittelalterlicher bis frühneuzeitlicher Stadtentwicklung auf Gewässer am Beispiel von Bad Waldsee von besonderem Interesse ist die Interaktion zwischen Stadt und See. Die Aufarbeitung der Dokumentation wurde im Januar 2023 abgeschlossen.
Die Grabung Bad Waldsee, Hauptstr. 10-12 ist von besonderer Bedeutung für die Geschichte von Stadtbefestigung und -erweiterung, aber auch für die Beziehung Stadt-Stadtsee, welche sich auf dem nicht überall ausreichend stabilen Baugrund der Spitalbucht deutlich bemerkbar macht. Die Besiedlung auf dem Grabungsareal lässt sich lediglich bis in das 12./13. Jahrhundert n. Chr. zurückverfolgen, ältere Besiedlungsphasen lassen sich nicht nachweisen. Tatsächlich reichte der heutige Stadtsee in früheren holozänen Zeiten weit in die Grabungsfläche und nach Süden und Südwesten sogar über sie hinaus, wobei sich die Chronologie mit rein archäologischen Methoden nicht näher spezifizieren lässt.
Die vorstädtische Besiedlung weist zweiphasig Pfostenbauten in der Ausrichtung der Waldseer Hauptstraße auf, außerdem einen Komplex wohl von Materialentnahmegruben in der Seekreide, mit dem weitere Pfostengruben korrelieren könnten. Die erste Stadtmauer wird im späten 13. Jh. bzw. "um 1300" errichtet - möglicherweise etwas später als die Erwähnung eines Stadtgrabens im Jahr 1283. Tatsächlich war der Stadtmauer an dieser Stelle weder in Richtung See noch (auf den ersten gut drei Metern) in Richtung Wurzach ein echter Stadtgraben vorgelagert. Die nach NNW verlaufende seeseitige Mauer knickt am Grabungsrand Richtung N um, was weiterführende Überlegungen zum Mauerverlauf erlaubt. An der Knickstelle, an der sich die Maueroptik im Aufgehenden hin zu Großwackenmauerwerk verändert, könnte ein Stadtmauerturm bestanden haben. Die letzten gut 10 m des ummauerten Areals Richtung Wurzach blieben zunächst frei von Massivbebauung. Sie dürften als Gartenareal genutzt worden oder lediglich mit leichten Nebengebäuden bestanden gewesen sein.
Kurz nach 1403 wird die zuvor unbefestigte Wurzacher Vorstadt in den Mauerring miteingeschlossen. Interessanterweise ist diese Erweiterung im Grabungsareal auch eine etwa 9 m messende Erweiterung Richtung See. Dies mag dem Umstand geschuldet sein, dass hier schon während des 14. Jahrhunderts ufernahe Bebauung auf Höhe der Altstadt entstanden war. Diese Bebauung ist, ohne dass vor der Fundauswertung genauer spezifizieren zu können, wohl in handwerklichem Kontext zu sehen. Die Funde von verglasten Steinen, die auf Glasmacherhandwerk hinweisen, die ab dem 15. Jahrhundert in verlagertem Kontext auftreten, gehören sicher zu in einiger Entfernung betriebenen Glasöfen. Dass in der Wurzacher Vorstadt (vermutlich nur bis zu deren Befestigung nach 1403) tatsächlich Glas produziert wurde, dürfte sich in der bereits 1407 im Kontext seiner Ersterwähnung überlieferten Bezeichnung "Gluthafentor" für das Wurzacher Tor überliefert haben.
Wohl erst zwei Jahrzehnte nach dem Umschluss der Stadtmauern erfolgte im Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb durch das Chorherrenstift Schussenried die bauliche Erschließung des Areals. Der als "Schussenrieder Fluchthof" bekannte Klosterhof ist als mehrteiliger Gebäudekomplex klar erkennbar, das hochwertige Fundmaterial - genannt sei die Ofenkeramik - passt gut dazu. Außerhalb der Stadtmauer, an diese gelehnt, wurde, sehr wahrscheinlich durch den Klosterhof, ein Ofen betrieben. Im SSO des Klosterhofs lässt sich ein Wegverlauf und weitere Bebauung feststellen, unter Berücksichtigung der Lage der in den 1460ern errichteten "Krettlinskirche" lässt sich die damalige Stadttopografie großräumiger diskutieren.
Um 1500 bzw. im frühen 16. Jh. kippt die ein Jahrhundert alte Stadterweiterungsmauer Richtung See, die angrenzenden Bauten werden unbewohnbar. Dies führt zu aufwendigen Stabilisierungsmaßnahmen und Anschüttungen auf der Seeseite und zur vollständigen Neuerrichtung der Bebauung auf der Stadtseite. Der Schussenrieder Fluchthof wird qualitätsvoll neu errichtet, wobei der Hauptbau sich auf das Fundament der 100 Jahre vorher bodennah abgebrochenen älteren Stadtmauer zurückzieht. Die Nebengebäude, die sich an die im Aufgehenden sicherlich veränderte Stadterweiterungsmauer stützen, gehen schon im 16. Jahrhundert wieder ab, es ist zu vermuten, dass sie durch "archäologisch unsichtbare" Nachfolger auf leichten Schwellfundamenten ersetzt wurden.
1650 erwirbt das neugegründete Franziskanerkloster den Schussenrieder Fluchthof und die Krettlinskirche und fügt sie zu einem bis zur Hauptstraße reichenden Vierflügelbau zusammen. Im NNW-Flügel des Klosters dürften sich auch baulich relevante Bestandteile des Schussenrieder Fluchthofs erhalten haben - die Flucht ist dieselbe. Mit der Gründung des Klosters wird das seewärtige Stadtareal vermutlich erneut zu Gartenland. Es lassen sich bis in die Moderne keine massiven Bauten in diesem Bereich mehr nachweisen. Letztlich ist für das 16./17. Jh. ein zweistufiger Rückzug der Bebauung weg vom See zu konstatieren, nachdem sie im 14./15. Jh. erst in diese Richtung ausgegriffen hatte.
Nach dem Übergang an Württemberg 1806 wird das Kloster aufgehoben. Die Gebäude werden zunächst als Fruchtschütte genutzt, ab 1855 residiert die Oberamtei im ehemaligen Kloster. Noch im 19. Jahrhundert wird im südlichen seewärtigen Bereich ein von der Oberamteistraße aus erschlossenes Gefängnis errichtet, das bis 1972 Bestand hatte. Danach nutzte man das Gelände östlich des Gebäudekomplexes, den sich nun Stadtverwaltung und Polizei teilten, als Parkplatz, die an der Bebauung der Wurzacher Vorstadt ausgerichtete neue Polizeigarage bestand bis 2020.
Ein detaillierter Auszug aus dem Grabungsbericht kann hier heruntergeladen werden.

"Vnser Schloß und statt Gammertingen"

Im Auftrag der Stadt Gammertingen verfassen Joachim Jehn und ich bis Ende 2023 eine neue interdsiziplinäre Stadtgeschichte Gammertingens. Grundlage sind die umfassenden neuen Erkenntisse aus der Auswertung der Schlossplatzgrabung von 2012/13, ergänzt durch umfangreiche neue Archivstudien. Ergänzt wird die Arbeit durch neue Illustrationen von Roland Gäfgen, Renningen, sowie in geringerem Umfang auch durch neue bauhistorische Untersuchungen durch Tilmann Marstaller, Rottenburg. Hierzu liegen inzwischen zwei wichtige Ergebnisse vor: Die Baudaten zu den Gebäuden Hohenzollernstraße 14 und 16 (1665 bzw. 1492) setzen Marker für die stadttopografische Entwicklung rund um den spätmittelalterlichen Marktplatz - und machen neuerliche Sichtungen der korrespondierenden Schriftüberlieferung erforderlich.
Die wissenschaftliche Auswertung der Schlossplatzgrabung, die ursprünglich in den Forschungen und Berichte zur Archäologie in Baden-Württemberg erscheinen sollte, ist dort inzwischen abgelehnt worden, weil anscheinend nicht mit dem Reihenprofil kompatibel. Ich erachte dies als höchst bedauerlich, weil hier erstmals eine archäologische Untersuchung vorgelegt wurde, die von der Planung bis zur Publikation den Grundzügen der von mir entwickelten historischen Archäologiekonzeption folgt. Sie zeigt exemplarisch, welche Informationsdichte unter entsprechenden Voraussetzungen aus einer gewöhnlichen, kleineren Stadtkerngrabung zu extrahieren ist. Bis ein alternativer Publikationsort gefunden ist, biete ich an, die Arbeit Interessenten auf Anfrage zur privaten Nutzung zur Verfügung zu stellen.
Inzwischen ist die Arbeit vorangeschritten, es gibt wesentliche neue Erkenntisse - die an dieser Stelle noch nicht vorweggenommen werden sollen. Seit März arbeiten wir neben den ausstehenden Recherchen bereits an den ersten Kapiteln des abschließenden Textes.

Sonnenbühl, Burg Hohengenkingen

Initiiert von den Journalisten Wolfgang Bauer (Die ZEIT) und Dr. Ulrich Stolte (Stuttgarter Zeitung) ist ein Projekt zur Erforschung, Vermittlung und denkmalgerechten Konservierung der Ruine Hohengekingen auf Markung Sonnenbühl-Undingen gestartet worden, das ich wissenschaftlich begleite. Es sind Kooperationen mit dem Landesamt für Denkmalpflege, der Universität Tübingen und der Gemeinde Sonnenbühl vereinbart worden, ein Förderverein ist in Gründung. Im November/Dezember 2021 fanden auf der Burg erste Vermessungsarbeiten (Prof. Quasnitza, FH Biberach) statt, die vom Landesamt für Denkmalpflege vermittelt und finanziert wurden. Im Dezember 2022 erfolgte die Gründung des Fördervereins "Die Burg e. V." in Willmandingen, inzwischen sind wir mit unserer Homepage online.
Mit einer archäologischen Bestandsaufnahme der obertägig erkennbaren (Bau-)Befunde im März 2023 in Zusammenarbeit mit der Abteilung Archäologie des Mittelalters am Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters an der Universität Tübingen fand im März 2023 der Einstieg in die Erforschung der Anlage statt. Dabei konnte die Südhälfte der Burg 3D-fotogrammetrisch aufgenommen werden. Es ergaben sich relevante Korrekturen zu bisherigen Aufnahmen sowie erste Ansätze zu einer Bauphasengliederung. Außerdem wurden durch das Landesamt für Denkmalpflege geomagnetische Prospektionen in zwei verebneten Burgbereichen (zentraler Wohnbereich im NW, Vorburgareal im NO) durchgeführt. Näheres demnächst auf der Homepage des Projektes...

www.historische-archaeologie.de wurde zuletzt aktualisiert am 18.08.2023