Kurzzusammenfassung der Untersuchungen 2016 (Stand 2016), ehemals auf "Aktuelles"-Seite hinterlegt
Nach dem Abbruch des an der Bohlstraße gelegenen Anbaus zum Nehrener Gasthaus Schwanen fanden von April bis Juni 2016 an fünf Tagen baubegleitende archäologische Untersuchungen im Auftrag der Gemeinde Nehren statt. Nach der vorläufigen Einschätzung der Grabungsbefunde erbrachte die Grabung wichtige Ergebnisse zur Nehrener Siedlungs-, vor allem aber Wirtshausgeschichte.
Die Besiedlung vor Ort beginnt im Zeitraum 2. H. 13./1. H. 14. Jh. Ältestes Gebäude dürfte ein Fachwerkbau auf Steinschwellen sein, welcher sich vom südwestlichen Drittel des Grabungsreals weiter nach SW unter den „Schwanen“ erstreckte und auch nach NW leicht über die heutigen Grundstücksgrenzen ausgriff. Im sich nach NO erstreckenden von der Hauptstraße aus rückwärtigen Areal bestand ein Keller mit Sandsteinboden oder -außenmauern. Das zugehörige Gebäude könnte ausweislich einer unmittelbar benachbarten Pfostengrube ein Pfostenbau gewesen sein. Auffällig ist, dass zwar der straßenseitige Fachwerkbau bereits die heutige Hauptstraßenorientierung spiegelt, das Nebengebäude ist jedoch leicht gegen den Uhrzeigersinn verdreht. Aus der ersten Besiedlungsphase ist auch ein Napfkachelfragment überliefert, weshalb man nicht unbedingt mit einer gewöhnlichen bäuerlichen Ansiedlung rechnen sollte. Auch die Verwendung von behauenem Sandstein ist als Qualitätsmerkmal der Ansiedlung zu werten und tritt in derselben Zeit z. B. auf der damals (gegen 1280) durch die Nerer wiederbesiedelten Burg in den Weihergärten auf. Nach den Negativ-Befunden Hauptstraße 30 und dem Eckgrundstück Bubengasse 2-4 stellt das Grundstück Hauptstraße 28 den bislang einzigen spätmittelalterlichen Siedlungsnachweis im Kontaktbereich Nehren-Hauchlingen dar, welcher in seiner Gesamtheit erst frühneuzeitlich aufgesiedelt worden sein dürfte. Beim aktuellen Forschungsstand wird man unter dem „Schwanen“ einen herrschaftlichen Hof in solitärer Lage vermuten – oder aber bereits ein Gasthaus (s.u.) zwischen den zwei damals noch getrennten Orten.
In der zweiten Hälfte des 15. Jh. wird das Areal komplett umgestaltet. Der Nachfolgebau des Hauptgefäudes stützt sich auf ca. 80 cm breite trocken gemauerte Fundamente, welche durchaus schon ein massives Erdgeschoss getragen haben könnten. Im Keller im Hinterhofareal wird etwa 20 cm aufplaniert und ein neuer Steinboden eingebracht. Am Ende des Kellerhalses sind nun auch Fundamente eines Fachwerkbaus nachweisbar, in den der Keller nun integriert wurde. Die deutlich holzkohlehaltige Aufplanierung im Keller zeigt, dass der Neubau möglicherweise durch einen Brand erzwungen wurde. Der Bau des ausgehenden Spätmittelalters ist nun mit einiger Wahrscheinlichkeit bereits als Gasthaus zu werten: Die mit der in die 2. H. 16./1. H. 17. Jh. datierenden Neubauphase verbundene Kellerverfüllung sowie Abbruchhorizonte über den Fundamenten führen neben diverser Baukeramik auffällige Mengen von rautenförmig zugeschnittenem Flachglas sowie eine ganze Reihe unterschiedlicher grüner Hohlgläser, z. T. mit Nuppenbesatz, zum Teil mit Fadenauflagen, zum Teil optisch bzw. formgeblasen. Unglasierte Schüsselkacheln und später Blattkacheln (grüne Renaissancekacheln, später auch schwarz glasierte) belegen den wahrscheinlich ununterbrochenen Kachelofenbetrieb vor Ort.
Der Neubau der 2. H. 16./1. H. 17. Jh. könnte bis auf einen leichten Versatz nach Südosten ziemlich exakt deckungsgleich mit dem 2016 abgerissenen Anbau gewesen sein. In jedem Fall muss es sich beim nun fassbaren Gebäude, dessen Südostfundament den inzwischen verfüllten spätmittelalterlichen Keller auf Höhe des Halses schneidet, um ein Nebengebäude des Gasthofs gehandelt haben, welcher möglicherweise bereits auf dem heutigen Schwanen-Grundriss neu errichtet worden war. Die zeitliche Lücke zwischen dem Fundmaterial und der Schwanen-Bauinschrift von 1698 ist dabei wohl zu groß, um eine Spätdatierung ins ausgehende 17. Jh. in Betracht ziehen zu können. Mit dem Neubau des 2. H. 16./1. H. 17. Jh. endet das Fundaufkommen auf der Untersuchungsfläche weitestgehend. Nur ganz wenige Einzelscherben ohne klaren Befundzusammenhang belegen den Horizont des 18./19. Jahrhunderts, dessen archäologische Überreste, wenn sie je noch vorhanden waren, mit dem Abriss des wohl in der 2. Hälfte des 19. Jh. (gefügekundlich 1860 ±15) errichteten Schwanenanbaus nahezu komplett entfernt wurden. Als bauhistorisches Relikt des 18./19. Jahrhunderts ist auf die in Profil 4 dokumentierten Reste eines zweiphasigen Ofengewölbes hinzuweisen, das in Zusammenhang mit dem z. B. auf den Flurkarten von 1821 und 1843 erfassten kleinen Anbau zu sehen ist, bei dem es sich schon aus Platzgründen nur um einen überdachten Feuerungs- und Abzugsbereich zu einem im Wesentlich innerhalb des Schwanen gelegenen Backofen gehandelt haben kann.