Kurzzusammenfassung der Untersuchungen (Stand Anfang 2017), ehemals auf "Aktuelles"-Seite hinterlegt. Forschungsstand inzwischen veraltet
Nach Sondageuntersuchungen im Dezember 2015 und baubegleitenden Untersuchungen nach dem Abriss der Häuser an der Hauptstraße im Juli 2016 fanden vom 5. September bis zum 14. Oktober 2016 archäologische Rettungsgrabungen auf dem ca. 1.400 Quadratmeter großen Areal statt. Bereits die vorläufigen(!) grabungszeitlichen Einschätzungen werfen ein völlig neues Licht auf das südliche Stadtviertel zwischen Wilhelmitenkloster und Meßkircher Tor.
Die Besiedlung des Areals beginnt in vorgeschichtlicher Zeit. Vor allem aus der ersten Hälfte des letzten vorchristlichen Jahrtausends lassen sich zahlreiche Pfostengruben und Siedlungsgräbchen nachweisen. Dabei ist aufgrund des nur selten in originaler Lage angetroffenen Fundmaterials eine Datierung des einzelnen Befunds oft fraglich - auch weil die wohl in der 1. Hälfte des 12. Jahrhunderts n. Chr., evtl. schon gegen 1100, wieder einsetzende Besiedlung zunächst auf demselben Niveau beginnt. So ist noch unklar, in welche Zeit ein etwa West-Ost verlaufender Graben gehört, der leider nur randlich in der Grabungsfläche belegt ist. Aus keltischer und römischer Zeit gibt es keinen nennenswerten Fundniederschlag. Möglicherweise wurden einige römische Leistenziegel sekundär auf das Gelände verbracht.
Die mittelalterliche Besiedlung scheint von Beginn an gewerblichen Charakter besessen zu haben, auch wenn der auf dem gesamten Grabungsareal nachweisbare Betrieb zahlreicher Öfen im höhergelegenen Bereich an der Wilhelmiterstraße auch "Konkurrenz" hatte. Hier sind Schwellenbauten, zahlreiche Wegpflasterungen, (Umfassungs?)mauern und eine gewaltige, mehrere (spätere) Grundstücke übergreifende Grube mit steilen Wänden, die überwiegend mit fundfreiem verlagerten Oberboden verfüllt wurde, nachgewiesen. Vor allem die Großgrube gibt Rätsel auf: Fassen wir hier ein Großbauprojekt, welches durch eine Planänderung in letzter Minute nicht über den Baugruben-Status hinausgeführt werden konnte? Sowohl Großgrube als auch die (Umfassungs?)mauern wurden noch während des Spätmittelalters aufgegeben, das Areal wurde - wieder - gewerblich genutzt.
Bei den nachgewiesenen Öfen scheint es sich überwiegend um stehende Öfen gehandelt zu haben. Auch wenn keine Abwurfhalden oder mit Fehlprodukten verfüllte Brennkammern nachweisbar sind, scheinen aufgrund des Auftretens charakteristischer Fehlbrände doch verschiedene Ton-Produkte gebrannt worden zu sein: In jedem Falle Ziegel, sehr wahrscheinlich aber auch Geschirr- und Ofenkeramik. Rohstofflieferant waren vermutlich die Tongruben, die an der Ausfallstraße Richtung Meßkirch noch heute bekannt sind. Da in den ältesten mittelalterlichen Schichten auch mutmaßliche Schmiedeschlacken auftreten, könnte für die Frühzeit auch andere Gewerbe betrieben worden sein.
Spannend ist die Frage nach dem politischen Umfeld, in dem die Gründung dieser gewerblichen Vorstadt im 12. Jh. zu sehen ist. Sehr deutlich wird - nicht nur wegen der oben erwähnten Rohstoffquellen - die Orientierung an der nach Südwesten führenden Fernstraße, die tatsächlich auch mit mehreren hochmittelalterlichen Schotterniveaus unter dem Gehweg an der Hauptstraße belegt werden kann. Mindestens ebenso spannend ist die Frage, wie es geschehen konnte, dass das Gewerbegebiet ohne wesentliche Änderungen in die spätmittelalterliche Stadt eingebunden wurde, was wegen der offensichtlichen Feuergefahr eine bemerkenswerte Entscheidung darstellte. Da Mengen im 13. Jh. eine "freie Stadt" war und mindestens für die Stauferzeit (Hoftag Barbarossas in Mengen 1170) die Bedeutung des Königtums für den Ort (und andersherum des Orts für den König) klar greifbar ist, lässt sich darüber spekulieren, ob das Ziegelei- und Töpfereizentrum nicht dem wohl bei der Martinskirche zu suchenden Königshof zuzurechnen wäre. In diesem Fall wäre auch der König als Stadtherr dafür verantwortlich gewesen, dass das Areal im 13. Jh. mit in die Ummauerung einbezogen wurde.
Die ätesten Keller unter den Häusern an der Hauptstraße scheinen im 15. Jh. verfüllt worden zu sein. Noch ganz unklar ist, wie die darüber zu rekonstruierenden Häuser mit der in unmittelbarer Nachbarschaft betriebenen Öfen zurechtkamen - bzw. ob es sich überhaupt schon um normale Wohnhäuser handelte - oder vielleicht eher um zur Hauptstraße/zum Straßenmarkt orientierte Verwaltungs- und Verkaufsgebäude. Im 15., spätestens im 16. Jh. wird das Gewerbegebiet schließlich aufgegeben: Binnen kurzer Zeit dehnt sich die Hauptstraßenbebauung nach "hinten" aus, es entstehen Hinterhäuser und Werkstätten mit Lehmestrichböden. Man wird davon ausgehen, dass zu dieser Zeit das "Baumgässle" entstand, das die rückwärtige Bebauung erschloss. Auch an der Wilhelmitenstraße entstehen nun Gebäude, allerdings sind sie gegenüber heute etwas in die Straße in Richtung Kloster hineinverschoben.
Schon jetzt, kurz nach Abschluss der Grabung ist offenkundig, dass in einer späteren Auswertung ein erheblicher Beitrag zur mittelalterlichen Geschichte Mengens geleistet werden kann - mit Aspekten, die bislang noch nicht einmal in der Diskussion waren. So muss man eigentlich davon ausgehen, dass das ergrabene frühe Mengener "Industriegebiet", das mindestens bis ins 15. Jh. Bestand hatte, eine Erwähnung in den Schriftquellen gefunden hat - und so vielleicht sogar noch zu einem Namen kommen wird. Weitere baubegleitende Untersuchungen an Fundamentgräben und Baugrubenwänden fanden im November und Dezember 2016 statt - sie führten insbesondere zum Nachweis einer Reihe von weiteren vorstädtischen Siedlungsstrukturen an der Hauptstraße: Pfostengruben, Gruben und Gräben, deren Zusammengehörigkeit, Datierung und Wertung zum aktuellen Zeitpunkt jedoch noch offenbleiben muss.
Eine Kurzzusammenfassung zu den große Teile der Mengener Altstadt betreffenden baubegleitenden Untersuchungen in Zusammenhang mit der Neugestaltung der Mengener Innenstadt/Baubegleitung Nahwärmetrassen 2012-2015 ist im Archiv hinterlegt.