Kurzes Resümee der baubegleitenden Untersuchungen 2020, ehemals auf "Aktuelles"-Seite hinterlegt
Bei der Anlage der Fundamente für eine Banneranlage vor der Nordwand der Evangelischen Stadtkirche St. Dionys in Esslingen konnten baubegleitend interessante Beobachtungen zur Baugeschichte des 1960-63 ergrabenen und 1995 von Günter P. Fehring und Barbara Scholkmann publizierten Sakralbaus gemacht werden: Das aufgehende Mauerwerk der Kirche im Bereich der Westerweiterung des Langhauses von ca. 1370/80 ist nicht unbedingt gleichzeitig zum hier ca. 30 cm nach außen vorspringenden Fundamentmauerwerk. Eine klar nicht horizontale Oberkante des Fundamentmauerwerks mit mehreren Absätzen sowie darüber sorgfältig gesetztes Füllmauerwerk zur Gewährleistung einer horizontalen Aufsatzfläche für das aufgehende Quadermauerwerk lassen einen einheitlichen Bauvorgang unwahrscheinlich werden. Tatsächlich lassen sich entsprechende Beobachtungen auch für den Innenraum der Kirche anführen: Unter der Kirchenwestwand geht die - ebenfalls nicht horizontale - Oberkante des Fundamentmauerwerk bruchlos in die Abbruchkante des Westturms aus dem späten 13. Jahrhundert über. Auch wenn Fundament und Turm sicher nicht gleichzeitig errichtet wurden, könnten sie ohne Weiteres gleichzeitig abgebrochen worden sein. Auch vom innerkirchlichen Schichtbestand ist eine Zweiphasigkeit möglich: Die münzdatierten Planierschichten zur Westerweiterung ziehen weitestgehend nur gegen das aufgehende Quadermauerwerk, die darunter liegende Baugrubenverfüllung ist nur allgemein mittelalterlich (8.-14. Jh.) datiert.
Eine zweiphasige Konzeption könnte ein baugeschichtliches Rätsel lösen, dem in der Grabungsauswertung zu wenig Beachtung zugekommen ist: So lassen sich im (im 19. Jh. nochmals veränderten) Dachstuhl keine Hölzer zur Westerweiterung von 1370/80 finden, wohl aber eine ganze Reihe von sekundär verbauten Gespärren des Jahres 1313, die sich ausschließlich im westlichen Teil des Langhausdachs finden und - im Rhythmus des heutigen Dachwerks hintereinandergestellt - mindestens ca. 10 m Langhaus überspannen würden. Es wäre sicherlich wünschenswert, die Originaldokumentation samt Fundmaterial nochmals auf diese Frage hin in Augenschein zu nehmen. Auch deshalb, weil sich aus einer zweiphasigen Konzeption ganz neue Ansätze für die Beurteilung des rätselhaften "Westturmprojekts" ergeben können.