Kurzes Resümee der Rettungsgrabungen 2018/19, ehemals auf "Aktuelles"-Seite hinterlegt
Von Ende November 2018 bis Mai 2019 dauerten die Rettungsgrabungem im südlich an die Klausur des Denkendorfer Klosters anschließenden Areals, wo aktuell ein Pflegeheim der Zieglerschen entsteht. Das Gelände ist durch einen mindestens bis ins Frühmittelalter aktiven Karstwasser-Quellhorizont mit Tuffbildung geprägt, das ursprünglich stark profilierte Areal zeigt Reste von Planierungsmaßnahmen des Hoch- und Spätmittelalters, daneben aber auch Bodeneingriffe dieser Zeitstellungen in erheblichem Umfang, die in Zusammenhang sowohl mit Rohmaterialgewinnung als auch mit Müllentsorgung stehen dürften. Die auffälligsten Befunde jedoch haben mit der Einfassung und Gestaltung des im Berg reichlich vorhandenen Karstquellwassers zu tun - so zum Beispiel eine ungefähr metertiefe und mehrere Meter breite Eingrabung parallel zur mittelalterlichen Klostermauer, welche diese auf ganzer Länge zu begleiten scheint, steilwandig ausgeführt ist und mit stetigem sanftem Gefälle nach Osten führt. Der versinterte Grabenboden zeugt wohl von hier langsam fließendem kalkhaltigem Wasser. Die Verfüllung des Grabens bringt neben großen Mengen von Tierknochen (unter denen ein beträchtlicher Anteil an Karnivorengebissen auffällig ist) Keramik zwischen Merowingerzeit und vermutlich der 1. Hälfte des 12. Jahrhunderts, daneben viele verbrannte Sandsteine, Holzkohle und Reste von wohl vor Ort abgebauten, materiell eher minderwertigen Tuffsteinen, die ausweislich der Bearbeitungsspuren gleichwohl zu Bauzwecken verwendet wurden. Es ist gut möglich, dass die Verfüllung des Grabens direktem Zusammenhang mit der Gründung des Denkendorfer Klosters kurz vor 1130 steht.
Besonders bemerkenswert an diesem offenbar vorklösterlichen Graben ist der Bezug auf einen frühen Massivbau, der mit seinem Nordannex den Graben zur Hälfte sperrt. Der Bau wurde offensichtlich zeitgleich mit dem Graben errichtet, gleichwohl behielt er auch klosterzeitlich noch seine Funktion: Es können mindestens zwei Phasen von gegen das Gebäude gesetzten massiven Stützmauern nachgewiesen werden, die die hier einsetzende natürliche Hangkante künstlich übersteilten und das weiterhin am frühen Massivbau entlangfließende Wasser durch eine Öffnung austreten ließen. Für die letzte Phase des frühen Massivbaus, der im Spätmittelalter (14. Jh.?) einem Brand zum Opfer fiel, ist der überwölbte Wasseraustritt erhalten. Das Wasser sickerte durch eine mit grobem Steinschutt verfüllte trichterförmige Grube in das tiefer liegende Gewölbe, das selbst mit Steinschutt gefüllt war, der über die Jahre kunstvoll versinterte. Einige Meter weiter unten trat das Wasser in die zu dieser Zeit noch weiter nach Süden reichenden Klostergebäude ein. Der südliche schmale Turm des Ostflügels - noch zu sehen auf der Ansicht von Kieser 1683/85) - markiert den Austritt des Quellwassers nach Osten. Die Ansprache dieses mit "Wasserinszenierung" verbundenen, in die Vorklosterzeit zurückreichenden Ensembles wird eine Hauptfrage der hoffentlich zu realisierenden archäologischen Auswertung sein. So verweist die Verfüllung des vorklösterlichen Grabens deutlich auf eine Siedlung von Relevanz: Hier fanden sich u. a. zwei Beinbeschläge, die zu einem hochmittelalterlichen Reliquienkästchen gehört haben könnte, darüber hinaus gibt es Hinweise auf frühe Ofenkeramik (Topfkacheln der älteren gelben Drehscheibenware).
Die stark verbrannten Sandsteine aus dem Graben müssen indes nicht zwingend zu vorklösterlichen Massivbauten gehören (zumal in keinem Fall Mörtelspuren beobachtet werden konnten): Östlich der Grabungsfläche konnten beim Abräumen einer für das Kranfundament vorgesehenen Fläche Reste mehrerer Ofenstrukturen aufgedeckt werden. Der mit Abstand besterhaltene Befund eines stehenden Ofens mit zwei gewölbten Ofentoren, einer als "falsches Gewölbe" aus dem lokal anstehenden Sandstein ausgeführten Ofenkuppel und über 1 m hoher Befunderhaltung datiert bereits in die frühe Klosterzeit (12./13. Jh.). Aufgrund der fehlenden Lochtenne, weißlichen Ablagerungen in der Brennkammer sowie der charakteristischen Eintiefung des Ofens in den hier nach Westen ansteigenden Hang liegt eine Ansprache als Kalkofen nahe. Benachbarte Ofenstrukturen, die offenbar noch in das vorklosterzeitliche Hochmittelalter gehören, lassen sich im Moment noch nicht sicher funktional einordnen.
Im frühen 18. Jahrhundert erfuhr das Kloster durch den Bau der zweiten Denkendorfer Klosterschule (1713-1810) eine beträchtliche Erweiterung, die westlich an das Südende des (längeren) mittelalterlichen Ostflügels anschloss. Insbesondere der Baukörper, in dem sich die Wohnung des Klosterpräzeptors Johann Albrecht Bengel (1713-1741) befand, konnte im Detail archäologisch erschlossen werden. Die Baustrukturen dieser Ausbauphase sind trotz mannigfaltiger moderner Störungen noch gut erhalten, sie hatten bis in die Nachkriegszeit Bestand, als sie undokumentiert abgerissen wurden. Bereits im 19. Jahrhundert fand der südliche Ostflügel sein Ende, statt seiner wurden frühe Industriebauten errichtet: ab 1838 verlegte die Senf- und Likörfabrik Kauffmann ihren Sitz von Esslingen nach Denkendorf. Auch deren Hinterlassenschaften lassen sich im archäologischen Befund noch eindrucksvoll belegen.