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Archiv: Tübingen-Derendingen, Bläsiberg

Kurzzusammenfassung der Untersuchungen (Stand 2015), ehemals auf "Aktuelles"-Seite hinterlegt

Die seit Januar 2014 laufenden baubegleitenden Untersuchungen sind seit Juni 2015 abgeschlossen. Nachdem sie 2014 vor allem den östlichen Teil des Bergplateaus abgedeckt hatten, sind sie 2015 bis in die unmittelbare Umgebung des um 1560 errichteten Rennaisance-Schlösschens vorgedrungen. Mit den neuen Funden und Befunden zeichnet sich die Siedlungsgeschichte auf dem Plateau immer deutlicher ab. In der ersten Phase dürfte der Bläsiberg als Fluchtburg gedient haben. In diese Richtung weist ein vierfaches Grabensystem mit versetzten Erdbrücken - eine Wehranlage, die vor allem zur Abwehr von Reiterangriffen gedacht gewesen sein konnte. In den fast fundleeren unteren Grabenverfüllungen konnte jüngst der erste datierende Fund gemacht werden: ein Randstück der älteren gelben Drehscheibenware, Typ Runder Berg. Es ist somit denkbar, dass die vermutlich ursprünglich frühmittelalterliche Anlage (die laut dem äußeren Grabenbefund allerdings zweiphasig war) bereits vor 1050 als solche aufgegeben wurde - möglicherweise in Zusammenhang mit dem Bau der bereits für das späte 11. Jahrhundert bezeugten St. Blasius-Kapelle.
Während der bis ins 16. Jahrhundert reichenden Bestandzeit der Kapelle, deren genauer Standort auf dem Plateau noch nicht bekannt ist, war der Bläsiberg unbefestigt, an weiteren Gebäuden auf dem Plateau ist ein Maierhof schriftlich überliefert. Es ist gut vorstellbar, dass ein jüngst unmittelbar südöstlich des Schlösschens entdecktes älteres Fundament dem Hauptgebäude eben dieses Maierhofs zuzurechnen ist. Darüber hinaus war der Bläsiberg, gerade in seinem östlichen Teil, damals jedoch unbesiedelt.Dies änderte sich im 15./16. Jahrhundert, als die durch Senkungsprozesse oberflächlich wieder leicht sichtbaren Gräben "nachverfüllt" wurden und ein unterkellerter Holzbau im Ostteil des Plateaus errichtet wurde.
Wohl in den Kontext des Schlossbaus um 1580 gehören drei Kalköfen im östlichen Plateauteil, das nach deren Aufgabe stufig einplaniert wurde: Der höhere nördliche Teil wurde durch eine Stützmauer vom niedrigeren südlichen Teil getrennt. Direkt oberhalb der Stüzmauer verlief die gepflastere Zufahrt. Außerhalb der nur Umfassungsmauer ist die Zufahrt weiterhin als Weg zu erkennen, eine Umbiegung nach Norden Richtung Tübingen deutet sich im Grabungsbefund noch eben an. Die kaum fundamentierte Umfassungsmauer selbst ist keinesfalls als Wehrelement zu verstehen, sondern als symbolische Grenze, sicher auch als Stützelement, das die Planierungen im Inneren gegen den Hang sichern sollte. Südlich der Stützmauer konnte ein weiterer, schlosszeitlicher Keller nachgewiesen werden. Die jüngsten Befunde (v.a. östliche Nebengebäude) sind wegen ihres schwachen Eingreifens in den Boden am schlechtesten erhalten.
Zum Abschluss der baubegleitenden Untersuchungen konnten im Rahmen einer neuen Stromtrassenführung durch die Stadtwerke Tübingen lokal auch Beobachtungen in der unter dem Bläsiberg liegenden Talaue getätigt werden. Siedlungsbefunde aus Mittelalter und Neuzeit wurden nicht angetroffen, nur einzelne verlagerte Funde ab dem Spätmittelalter. Mit ein Grund für diesen Negativbefund könnte die Tiefenlage der einschlägigen Schichten sein. In einer Schachtgrube nahe der B 27, wo auf einigen Quadratmetern Fläche 190 cm tief ausgeschachtet wurde, ließ sich eine offenbar ungestört einsedimentierte anflugglasierte Scherbe des 15./16. Jhs. in 70 cm Tiefe beobachten. In ca. 120 cm Tiefe konnte dann auch eine holzkohlereiche Siedlungsschicht festgestellt werden - die laut dreier Keramikfragmente jedoch bereits in die Hallstattzeit gehören dürfte. Im betreffenden Bereich im unteren Steinlachtal waren bislang keine vorgeschichtliche Siedlungen bekannt gewesen.