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Archiv: Bisingen, Burgstall Ror

Auf dieser Seite finden sich Materialien zur archäologischen Auswertung der Ausgrabungen am Burgstall Ror, Bisingen, von 1952-1960 und 2004/05. Die Materialien gehen auf meine 2014-15 durchgeführten Auswertungsarbeiten zurück. Sie werden an dieser Stelle ins Internet gestellt, um kritischen Lesern der geplanten Monografie die Möglichkeit einer eigenen Hinterfragung einiger der dort getroffenen Aussagen zu geben.
Eingestellt wurde ein pdf-Dokument mit dem Befundkatalog der durch das Landesdenkmalamt 2004/05 durchgeführten Sondagegrabungen, ergänzt durch diverse Anhänge und Listen (Referenz: Arbeitsschritte, Konkordanzliste, Liste der Fundnummern, Abkürzungsverzeichnis), eine ACCESS 2007-Datenbank, welche die Befunde der Grabung 2004/05 und die komplette quantitative Fundkomplexaufnahme bis zum jeweiligen Fund-Individuum hinunter miteinander verknüpft. Die Stratigrafie der Grabung ist durch eine STRATIFY-Datenbank repräsentiert, aus welcher jederzeit Harris-Matrizen generiert werden können (zum kostenfreien Download von Stratify). Des Weiteren stehen pdfs zu zwei in SPSS durchgeführten Korrespondenzanalysen (zu den Abbildungen 28 und 113) bereit, ein bebildertes Aufnahmeprotokoll zu den beim Heimatverein Bisingen-Steinhofen lagernden Funde der Altgrabungen 1952-1960 sowie der Bericht zur Auswertung der Tierknochen aus Alt- und Sondagegrabungen, erstellt von Katja Thode M.A., Universität Tübingen.
Bei weitergehenden Fragen zur archäologischen Auswertung des Burgstalls Ror scheuen Sie sich nicht, mich per E-mail zu kontaktieren.

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Kurzzusammenfassung

Stand Publikation Oktober 2015, ehemals auf "Aktuelles"-Seite hinterlegt

Auf die Altgrabung des Heimat- und Geschichtsvereins 1952-60 folgte 2004/05 eine kleine Sondagegrabung des Landesdenkmalamts. Durch die akribische Rekonstruktion der Altgrabung (keine Dokumentation, keine Befundzuordnung der Funde) aus den Akten des Heimatvereins war es möglich, auch die reichen Funde der 1950er für die Auswertung weitestgehend mitzuberücksichtigen. Außerdem hat sich auch der Ablauf dieser Altgrabungen sowie das in diesem Zusammenhang mitdokumentierte Zusammenspiel von Laien-Ausgräbern, württembergischer und hohenzollerischer Denkmalpflege als sehr ergiebiges Thema erwiesen. Sie werfen ein deutliches Schlaglicht auf die bislang kaum aufgearbeitete Geschichte der (mittelalter)archäologischen Denkmalpflege der Nachkriegszeit.
Es ließen sich vier Bauphasen der Burg unterscheiden:
Phase A: Im späten 12. Jahrhundert wurde das Plateau der Kernburg eingerichtet und befestigt, im Westteil der Kernburg entstand ein mehrschiffiger und mehrjochiger Pfostenbau, der ausweislich der Becherkachelfunde bereits als Palas diente. An die Westwand des Palas war ein kleinerer Anbau angefügt, in dem eine Schmiede stand und auch Altmetall gelagert wurde. Die Befestigung der Burg ist in dieser Phase in Form einer Palisade zu rekonstruieren, Befunde liegen allerdings nicht vor.
Phase B: In der mittleren ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts wurde nach einem vermutlich von der Schmiede verursachtem Brand des Palas ein Nachfolger errichtet, bei dem es sich um einen Holzgerüstbau auf vermörtelten Steinschwellen gehandelt haben muss. Baubefunde fehlen hier, da dieser Palas nun schon lageidentisch mit seinen massiven Nachfolgern war. Die Phase ist lediglich aus den Brandschuttplanien zu rekonstruieren, die auf den Brand auch dieses Palasbaus folgten.
Phase I: In der fortgeschrittenen ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, also nach nur kurzem Bestand des Palas aus Phase B erfolgt der Übergang vom Holz- zum Steinbau. Dies betrifft den Palasneubau genau wie die Neubefestigung der Burg mit einer steinernen Ringmauer. Diese führt als Bering um die Oberburg und war vermutlich von Beginn an zur östlichen Bergseite hin als Schildmauer ausgeführt. Im Westen ist die Ringmauer doppelt ausgeführt und schließt hier einen deutlich tiefer gelegenen Zwinger ein, durch den der Abgang in die damit indirekt belegbare Unterburg erfolgte. Auch dem Palas der Phase I (ein oder zwei Massivstockwerke, darüber Fachwerkaufsatz)war keine lange Bestandzeit beschieden, er ging wohl durch einen Stubenbrand in der Mitte des 13. Jahrhunderts ab. Dadurch haben sich Gefachlehmfragmente aus dem Stubenbereich erhalten, die durch Ritzverzierungen und Bemalung ihren repräsentativen Wohnkontext offenbaren. Der aus Becher- und Napfkacheln der Albware gesetzte Kachelofen dieser Phase ist im Fundmaterial der Altgrabung noch zu großen Teilen und in hervorragendem Zustand überliefert: Durch die erheblichen Aufschüttungen nach dem Brand konnte man den Ofen einfach unzerkleinert ins Erdgeschoss stürzen lassen.
Phase II: In der Mitte des 13. Jahrhunderts kommt es zum Bau des letzten Palas. Eckverstärkungen der Fundamente verweisen auf einen erheblichen massiven Aufbau unterhalb der weiterhin in Fachwerk ausgeführten Wohnstockwerke. Oberflächen und Nutzungshorizonte zu dieser Phase sind wg. der Eingriffe durch die Altgrabungen nicht mehr überliefert, das Fundmaterial der Altgrabung, das in erster Linie auf den Zerstörungshorizont des Jahres 1311 zurückgeht, spricht jedoch Bände: In der der Zerstörung unmittelbar vorausgehenden Zeit wurde auf Ror eine herrschaftliche Hofhaltung praktiziert, die bei Burgen vergleichbarer Größe, Art und Zeitstellung ihresgleichen sucht. Ganz offensichtlich hatte der Burgherr, der nun als Walger III. von Bisingen auch namentlich bekannt ist, großes Interesse daran, sich mit Neuestem und Ungewöhnlichem zu umgeben, insbesondere ist eine sicherlich über die nahe Schweizer Straße vermittelte Handelsverbindung in den Raum Konstanz/Nordschweiz klar herauszuarbeiten. Die Burg wurde im Jahr 1311 durch Reutlinger Truppen im Rahmen des Reichskriegs gegen Württemberg zerstört und ausweislich von Durchwurzelungshorizonten über den Kriegsschuttschichten nicht wieder aufgebaut. Zu einem unbekannten Zeitpunkt kam es dann noch zu einer organisierten Schleifung der Burg. Noch aufrecht stehende Mauern wurden abgebaut und Hohlräume mit losem Kriegsschutt einplaniert.
Die Burg ist von Beginn an als zollerische Dienstmannenburg anzusprechen. Ihre Entstehung korreliert zeitlich mit der Erstnennung eines zollerischen Truchsessen vor dem Jahr 1189. Die Einrichtung dieses Hofamts und die erschließbare Vergabe des Amts an die Baldeberte von Bisingen sind im Kontext der seit ca. 1180 bestehenden Konkurrenz mit den Grafen von Hohenberg zu sehen. Sowohl die Einbindung der Bisinger als auch deren Heiratsverbindungen - zunächst nach Roßwangen, wo anscheinend in eine vakante Ortsherrschaft eingeheiratet wurde, über die der zweite Leitname "Walger" nach Bisingen gekommen sein dürfte - stehen in deutlichem territorialpolitischen Zusammenhang. Die zweite wichtige Heiratsverbindung wurde nach Westen zu den Herren von Werstein vermittelt. In diesem Zusammenhang dürfte die Burg Staufenberg bei Rangendingen an die Herren von Bisingen gefallen sein. Bei einer Erbteilung 1255 ging die inzwischen in Stein ausgebaute Burg Ror an Baldebert III. (der nicht mit Baldebert von Zainingen zu parallelisieren ist), während das Truchsessenamt an den zweitgeborenen Hugo ging, der die Linie der Truchsessen von Stoufenberg begründete. Baldebert III., der nur 1262 historisch belegt ist, dürfte bald darauf verstorben sein, wonach Ror an die Truchsessen von Stoufenberg gefallen sein müsste. Darin ist der Grund zu sehen, warum Walger III. im Jahr 1277 die Bisinger Ortsburg als sein "Domizil" bezeichnet, obwohl Burg Ror damals eine in jeder Hinsicht überlegene Behausung dargestellt haben muss. Vermutlich ging die Höhenburg erst 1288 an die Walger-Linie, als der letzte Krieg zwischen Zollern und Hohenberg (bei denen Bisinger auf beiden Seiten gekämpft haben dürften!) mit der Schaffung der Puffergrafschaft Zollern-Schalksburg endete, der die zuvor geteilte Bisinger Herrschaft wieder als Ganzes zugeordnet wurde. Das Aussterben der Truchsessen von Stoufenberg(zuletzt erwähnt 1291) muss damals schon absehbar gewesen sein. Als neuer Burgherr auf dem "Schlössle" entfaltete Walger III., wie die archäologischen Funde zeigen, eine "hochherrschaftliche" Hofhaltung. Dies lässt sich in Verbindung bringen mit der in den Schriftquellen ersichtlichen Zurückhaltung gegenüber den neuen Lehnsherren in Balingen mit ihrer doch sehr überschaubaren Gefolgschaft. Außerdem passt die Orientierung an Württemberg gut ins Bild, welches für Walger III. offenbar andere Perspektiven zu bieten hatte. Allerdings auch Risiken - denn die Neuorientierung wurde mit der Zerstörung der Burg (mit anschließendem Niedergang der Herren von Bisingen) teuer erkauft.